Der völkerrechtliche Schutz der Flüchtlinge, wie wir ihn heute kennen, entwickelte sich seit dem Beginn des 20. Jahrhundert. Die Erkenntnis, dass Flüchtlinge in einem fremden Staat besonderen rechtlichen und tatsächlichen Nachteilen ausgesetzt sind, besteht weltweit spätestens seit den Tagen des ersten Weltkrieg.
Flüchtlingsbewegungen weiteten sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu einem europäischen Massenphänomen aus, seinerzeit insbesondere ausgelöst durch Entwicklungen im Osmanischen Reich, in Rußland und später dann in Deutschland:
- angefangen von dem Genozid an den Armeniern 1915/16 und der Vertreibung noch auf türkischen Territorium lebenden Armenier, Griechen, Assyrer, Chaldäer und anderer Minderheiten im Jahr 1922;
- über die durch die Oktoberrevolution 1917 in Russland ausgelöste Fluchtwelle von ca. 1 Mio. Menschen, denen die Sowjetunion 1921 auch noch die Staatsbürgerschaft entzog, so dass sie fortan weder irgendwelchem völkerrechtlichen Schutz unterstanden noch über irgendwelche gültigen Identitätspapiere verfügten noch nach Russland zurückkehren konnten;
- über die durch die Machtergreifung Benitos Mussolinis und seiner Faschisten 1925 in Italien und den 1936 entfesselten spanischen Bürgerkrieg ausgelösten Fluchtbewegungen;
- bis hin zu den durch die deutschen Nationalsozialisten ausgelösten massenhaften Fluchtbewegungen
Aus der hierdurch entstandenen Erkenntnis der Schutzbedürftigkeit der Flüchtlinge wuchs gleichzeitig die Tendenz vieler Staaten, die Rechtslage der Flüchtlinge auf internationaler, völkerrechtlicher Grundlage zu verbessern. Den Rahmen hierfür bietet der 1920 gegründete Völkerbund. Und die Reaktion der Völkergemeinschaften erfolgte auf zwei Wegen:
So wurde zunächst beim Völkerbund das Amt des Hochkommissars für Flüchtlinge geschaffen, ein Amt, das bis zum Inkrafttreten des Abkommens vom 28. Oktober über die internationale Rechtsstellung der Flüchtlinge bestand und angesichts der durch die Nationalsozialisten ausgelösten Fluchtwelle 1938 wieder neu geschaffen wurde. In der Nachfolge wurde nach dem zweiten Weltkrieg in modifizierter Form bei den Vereinten Nationen auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention der United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR eingerichtet.
Die Zuständigkeiten des seinerzeitigen Hochkommissars für Flüchtlinge, Fridjof Nansen, wird ständig ausgeweitet. So ist er zunächst nur für die russischen, ab 1924 auch für die armenischen und seit 1928 allgemein für Flüchtlinge zuständig. Er stattete die Flüchtlinge mit Identitätspapieren aus, die allgemein als „Nansen-Pass“ bekannt waren und allgemein akzeptiert wurden, und übernahm später auch die Sorge um eine dauerhafte Ansiedlung der Flüchtlinge in anderen Staaten. Diese Aufgabe war zwar dringend, da sich immer mehr herausstellte, dass die Flüchtlinge nicht in ihre Heimatländer würden zurückkehren können, ihr stand jedoch eine – angesichts der Weltwirtschaftskrisse auch noch ständig abnehmende – Bereitschaft der Staaten gegenüber, die Flüchtlinge auf einer freiwilligen Basis aufzunehmen, denn eine völkerrechtliche Verpflichtung der Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen bestand nicht.
Diese Entwicklungen führte zu mehreren im Rahmen des Völkerbundes geschlossenen Abkommen, deren wichtigstes woh
- das Abkommen vom 28. Oktober 1933 über die internationale Rechtsstellung der Flüchtlinge1 ist.Dieses Abkommen galt für die Flüchtlinge aus Russland und der Türkei und verpflichtete die Vertragsstaaten, die Flüchtlinge aufzunehmen, sofern kein Drittstaat zur Aufnahme bereit war. Insbesondere aber verpflichtete das Abkommen die Staaten, die Flüchtlinge nicht in den sie verfolgenden Heimatstaat zurückzuschicken („non-refoulement“). Diese Verpflichtungen bestanden allerdings nur als „Staatenverpflichtungen“, d.h. als Verpflichtung der Staaten untereinander. Subjektive Rechte für die Flüchtlinge begründete das Abkommen nicht.Gleichzeitig ging die Verantwortung für die Flüchtlinge mit diesem Abkommen vom Völkerbund auf die Vertragsstaaten über, so dass der Völkerbund das Amt des Hochkommissars für Flüchtlinge wieder auflöste.
- Als Reaktion auf die alsbald danach ansetzende Welle aus dem nationalsozialistischen Deutschland emigrierender Flüchtlinge, und nachdem das nationalsozialistische Deutsche Reich den Völkerbund verlassen hatte, entstanden fünf Jahre spätere zwei weitere von den Staaten des Völkerbundes geschlossene Abkommen, nämlich
- das Abkommen vom 10. Februar 1938 über die Stellung der Flücbtlinge aus Deutscbland2 und
- das Zusatzprotokoll zu dem Abkommen vom 10. Februar 1938 über die Stellung der Flüchtlinge aus Deutschland vom 14. September 19393.
Diese beiden Abkommen blieben freilich in den Wirren des ein Jahr später beginnenden 2. Weltkriegs weitgehen wirkungslos und wurden auch nur noch von zwei Staaten, Großbritannien und Belgien, ratifiziert.